Apfelbaum „Gravensteiner“
Malus domestica
(Rosaceae)
Heute noch bin ich unseren Vormietern dankbar, dass sie uns einen kleinen Apfelbaum hinterlassen haben, der zwar im Schatten der großen Hainbuche nicht die optimalen Bedingungen vorfindet aber trotzdem reich blüht und unglaublich aromatische Äpfel hervorbringt. Für mich gehören sie zu den feinsten, die ich jemals gegessen habe.
Der Gravensteiner ist eine alte Apfelsorte, die mindestens seit 1669 in Dänemark und Norddeutschland bekannt ist. Er ist ein Sommerapfel, meist reift er bei uns bereits ab Mitte August. Einst weltweit verbreitet, mit Schwerpunkten in Europa von Südtirol bis Norwegen, in Kalifornien und im kanadischen Nova Scotia, hat seine kommerzielle Bedeutung in den letzten Jahrzehnten stark nachgelassen und er ist vor allem als Liebhabersorte verbreitet. Meine Sorte ist warscheinlich ein roter Gravensteiner, seine Blüten sind im Aufblühen rosa, später weiß, die Früchte rotbackig, wenn sie in der Sonne hängen.
Zur weltweiten Verbreitung trug vor allem sein gerühmter Geschmack, die frühe Erntezeit und seine gute Eignung zur Weiterverarbeitung bei. Verdrängt durch neuere Sorten wurde der Gravensteiner, weil er nur schlecht lagerfähig, anspruchsvoll im Anbau und stoßempfindlich ist.
Der Baum wächst sehr kräftig und muss geschnitten werden, da er sonst fast ausschließlich Langtriebe bildet. Durch Pflegemaßnahmen wie Sommerschnitt und Binden können auch Kurztriebe hervorgerufen werden. Der Baum kann bis zu 100 Jahre alt werden, manche Exemplare werden auch älter.
Pflanzen
Gepflanzt wird ab Ende Oktober, meist werden wurzelnackte Bäume von der Baumschule angeboten. Die Wurzelballen von Apfelbäumen sind meist herzförmig, dementsprechend sollte das Pflanzloch mindestens 50 cm tief sein und etwa doppelten Durchmesser des Wurzelballens haben. Die Erde darunter sollte mit der Grabgabel aufgelockert werden. Dem gelockerten, am besten gesiebten Aushub sollte gut abgelagerter Kompost (30%) und bei sehr magerer Erde auch Hornspäne in die obere Schicht eingearbeitet werden, eine Handvoll genügt fürs erste.
Wichtig ist eine ebenerdige Pflanzung, d.h. der Baum sollte nicht höher und nicht tiefer gepflanzt werden. Zur Stützung wird ein Pflanzpfahl neben den jungen Baum tief und fest in die Erde gehämmert und der Baum daran festgebunden. Er soll gerade wachsen können. Das alles ist kein Hexenwerk.
Angießen und regelmäßig nachsehen ob der Boden zu trocken ist, versteht sich von selbst. Unbedingt muss das Substrat strukturfest sein, zu weiche Pflanzerde ohne feste Elemente sorgt sicher dafür, dass der Baum später schief wächst, auch mit Pflanzstab.
Der Winterschnitt
Während der Ruhezeit im Winter wird der Apfelbaum bis spätestens Mitte März ausgelichtet bzw. 'erzogen'. Äste, die nach innen wachsen, sich kreuzen oder nur noch wenig Fruchtholz ansetzen werden entfernt, dickere Äste am besten mit einer Handsäge. Auch der Leittrieb wird oberhalb einer Knospe abgeschnitten. Mit dem Schnitt verfolgt man zwei Ziele: erstens soll die Krone licht sein, damit genug Sonne zur Reifung an die Früchte gelangt, zweitens sollen alte Äste, die kaum mehr Früchte tragen herausgenommen werden, damit die Kraft des Baumes sich auf die Fruchttriebe konzentriert.
Sofern es noch Wassertriebe gibt, die senkrecht nach oben wachsen und keine Fruchttriebe bilden, müssen auch diese entfernt werden. Sie kommen zwar jedes Jahr wieder, lässt man sie stehen, bilden sie mit der Zeit 'Nebenkronen' und dies schwächst den Baum.
Der ‚Juniknip‘
Der ideale Zeitraum für den Sommerschnitt ist von Ende Juni bis Mitte Juli, wenn das Triebwachstum abgeschlossen ist und der Apfelbaum neue Blütenknospen für das Folgejahr anlegt. Entfernt werden vor allem die einjährigen, senkrecht hochwachsenden Triebe (Wasserschosse). Dünne Triebe können statt mit der Schere auch einfach durch Ausreißen entfernt werden, die Risse verheilen sehr schnell.
Die unverzweigten Spitzen des Leittriebs und der Seitenäste sollten im Sommer über einer nach unten gerichteten Knospe eingekürzt werden. Diese treibt anschließend neu aus und gleichzeitig bilden sich unterhalb der Knospe mehrere Seitenzweige, die später Fruchtholz ansetzen.
Wasserreiser entstehen meist auf der Oberseite der größeren Äste und wachsen senkrecht nach oben. Sie rauben den reifenden Früchten das Licht und bilden zudem kaum Fruchtholz. Diese Triebe werden direkt am Ansatz abgeschnitten.
Früchte ausdünnen
Apfelsorten wie zum Beispiel auch der Boskop verausgaben sich mit der Blüte und Fruchtbildung oft so stark, dass sie für das Folgejahr kaum neue Knospen bilden und dann entsprechend weniger tragen. Um diese sogenannte
Alternanz zu reduzieren, werden die
Früchte Ende Juni ebenfalls ausgedünnt, d.h. von jedem Fruchtstand werden nur ein bis zwei Äpfelchen hängen gelassen. Diese Früchte werden vom Baum optimal ernährt und erreichen eine besonders gute Qualität. Beim Gravensteiner sitzen die großen Früchte zudem an sehr kurzen Stängeln - sie drängen sich gegenseitig weg, bis sie abfallen. Das ist bei dieser Sorte normal, kann aber durch gezieltes Ausdünnen schwächerer Früchte zweckmäßig genutzt werden.
Ernten und Verwenden
Geerntet werden kann meist schon ab Mitte August. Nach 2-3 Tagen entwickeln die Früchte ihr bestes Aroma. Lagern kann man die Äpfel nur schlecht, wenn man im Kühlschrank Platz hat, behalten sie ihren knackigen Biss für 2-3 Wochen, das hängt jedoch stark vom ‚Apfeljahr‘ ab.
Ganz ausgezeichnet ist Gravensteiner für Apfelmus, und Apfelsaft geeignet, meiner Meinung nach gibt es nur sehr wenige Sorten, die geschmacklich mit ihm konkurrieren können.
Historisches
Der Gravensteiner gelangte schnell zu Popularität in Deutschland, Schweden und Dänemark. Ausschlaggebend dafür war zum einen, dass er sich gut zur Verarbeitung zu Apfelmus, getrockneten Äpfeln, Apfelsaft und Obstbranntwein eignet, zum anderen aber auch sein gerühmter Geschmack. Dahingehend ist der Gravensteiner bis heute eine absolute Spitzensorte. So gab beispielsweise 1940 der dänische Pomologe Anton Pedersen in seinem Buch Danmarks Frugtsorter in der Kategorie Geschmack nur zwei Äpfeln die höchste Punktzahl: Signe Tillisch und dem Gravensteiner.
In der Deutschschweiz ist Gravenstein beinahe zum Gattungsbegriff für einen Sommerapfel geworden. In Europa wird der Gravensteiner heute vor allem in Skandinavien angebaut. Mittlerweile wurde der Gravensteiner in Norwegen als wichtigster Apfel vom Gravensteiner-Abkömmling „Aroma“ abgelöst. Zusammen mit „Aroma“ und „Summerred“ gehört er jedoch noch immer zu den Top-3-Sorten im Anbau. 2005 zeichnete Dänemark den Apfel als nationalen Apfel aus.
Pflegeplan
Vorfrühling II-III | Frühling IV-V | Sommer VI-VII | Spätsommer VIII-X | Herbst/Winter XI-I |
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Wasserreiser entfernen | D: Kompost, Hornspäne | Juniknip | Ernte | - |